In den letzten Wochen kam man um die Videos nicht herum, wenn man sich in der Schwarzen Szene tummelte: „Goths in ungothly places“, wobei 2 Jungs, die unschwer als Goths zu identifizieren waren, sich unter anderem in einem Vergnügungspark oder am Strand wiederfanden, um dort in Situationen geworfen wurden, die „eigentlich normal“ sind, aber für Goths eben nicht. Wir haben uns amüsiert und die Videos herumgeschickt! Auch ich hab mehr als ein Mal eines der Videos per Instagram oder TikTok in meiner Post gefunden, und schlussendlich wurden die Videos auch in diversen Gothicgruppen auf Facebook gepostet. Ja, was haben wir gelacht!
Der Hashtag #GothsInUngothlyPlaces existiert übrigens auch dank dieser beiden Jungs. Einer fast einen Kopf größer, der Kleinere wird sogar am Ende am Strand im Meer versenkt – da nimmt sich jemand auf angenehme Art und Weise nicht selbst ernst und mischt die Szene mit Humor auf. So weit, so gut! Aber, manchmal schaut man ja bisschen weiter und so ging es mir: Ich wollte wissen, wer hinter den Goth-Comedy-Videos steckt und entdeckte, dass es sich um eine Band handelt, die aus 2 Personen besteht, nämlich den beiden. Der kleinere heißt Glen Bridden und ist der Sänger, währenddessen der Große der Gitarrist namens Tryst Germaine ist. Und zusammen sind sie 2 Shadows! Ihre Heimat ist in Vancouver, Canada, und ein Google-Eintrag aus dem Jahr 2020 nennt weitere 2 Bandmitglieder, die ich allerdings für 2022 nicht mehr gefunden habe (ich beziehe mich auch auf ihre offizielle Website, in der sie von einem Duo sprechen). Infomaterial ist spärlich gesät, so dass ich mich jetzt auf meine subjektiven Eindrücke verlasse.
Naja, dachte ich mir zunächst, was können zwei schon auf die Beine stellen, aber – hören wir mal rein! Gesagt, getan. Und so lud ich mir just for fun ihr Album herunter, denn wie gesagt, was können diese zwei Goth-Comedians denn schon… and here we are!!
Das Album heißt „Bring the cold inside“ und besteht aus 7 Tracks mit einer Gesamtspielzeit von 25 Minuten. Nun. Was ich von so kleinen Alben halte, weiß man, wenn man mich näher kennt und meine Schimpftiraden auf das neue Psyclon-9-Album miterlebt hat. Ich war gespannt, und habe ehrlich gesagt wirklich Schrott erwartet.
Der 1. Track „Keep Breathing“ geht gleich mal nach vorne los mit einem melodischen Intro und es handelt sich um eine Co-Lab mit The Word Alive, was es mir schwer macht, herauszudestillieren, wo nun der Beitrag von 2 Shadows liegt und wo der des Co-Lab-Partners, aber hier ging gleich mal was ab, was ich nicht erwartet habe! Gothmetal meets Industrialmetal meets Metalcore. Sprich, die Überraschung war riesig! Nichtsdestotrotz ist „Keep Breathing“ ein ungeschickter Opener, denn ich spoilere, das ist der schwächste Track (und der war schon beachtlich.) Kann man hören, ist es jetzt aber nicht DER Banger.
Beim 2. Track „Blackened Wings“ ist keine Co-Lab angegeben, also haben wir hier 2 Shadows. Wie sie zu zweit die Drums eingespielt haben, ist ihr Geheimnis, vielleicht hat ein Drum-Computer den Job übernommen, aber das ist komplett unwichtig, denn die klare Stimme von Glen zieht in den Bann, aber so was von. Und es tauchen die ersten Harmonien auf, die ich so das letzte Mal von Alice in Chains bewusst gehört habe. Eine kleine Flüsterpassage endet in wütendem Screaming, die Range von Glen ist mehr als erstaunlich, aber am allerbesten gefällt er mir, wenn er im Chorus klar singt. Auch hier eine astreine Metal-Nummer, die die oben bereits beschriebenen Elemente aufweist sowie einen kleinen netten Breakdown (hier ist noch gewaltig Luft nach oben, Jungs! Aber das ist so was von fett, für ein erstes Album, hallo?) Spätestens beim 2. Track fühle ich mich ein bisschen an meine geliebten Motionless in White erinnert, eine ganz ähnliche Songstruktur und ähnliche Atmosphäre.
Aber ich war nicht vorbereitet auf den 3. Track: Screamworks. (Zu diesem Track existiert auch ein Youtube-Video!) Hier ist er, DER BANGER, der auf eine GANZ GROSSE Bühne gehört, was für ein Chorus, Gänsehaut pur! Vorauspeitschende Strophen und ein Chorus, der einerseits Tempo rausnimmt, aber andererseits so großes Kino ist, dass ich diesen Track ernsthaft 10 Mal hintereinander gehört habe, und jedes Mal Gänsehaut on repeat. Auch hier haben wir einen Breakdown, der mit einem so gewaltigen Scream endet, der sinfonisch in den letzten Chorus übergeht, dass einem Hören und Sehen vergeht. Ja, das ist unfassbar, auf einem Debut-Album so was zu präsentieren!
Irgendwie wartet man jetzt auf eine Ballade, stattdessen gibt’s mit „Scratching at the surface“ noch eins auf die Zwölf. Zumindest nach dem aggressiven Intro geht es tatsächlich zunächst balladesk los, um dann vor dem Chorus wieder in wütendem Screaming zu enden. Aber der Chorus schimmert wieder melodisch durch und vor seinem inneren Ohr holt man bereits die Gitarre für eine Akustik-Version heraus. Denn wenn ein Song eine Akustik-Version abwerfen würde, dann der.
„Scratchin at the surface“ ist wiederum eine Co-Lab, dieses Mal mit The Veer Union. Mit ganz viel gutem Willen kann man diesen Song als Ballade bezeichnen, mit wunderschönem Chorus, der sofort ins Ohr geht und auch hier fasziniert wieder die Mischung aus Screaming, Melodie, hartem Rhythmus und dieser dezenten Goth-Unterschwelligkeit.
Der 5. Track ist dann das Überraschungsei. Ein Cover! Und zwar „Boulevard of broken dreams“ (Green Day); einen Song, den ich noch NIE toll fand. Hier schreit dich Glen erstmal heftig an, um dann im Style einer Gothballade die Strophe zerbrechlich zu singen, um dann im Chorus – genau, erstmal zu schreien. Wie geil! Hier haben wir auch einen hörbaren Synthie-Einsatz, der erstmal überrascht, weil bis jetzt derartiges noch nicht zu hören war. Ja, ich bin jetzt Fan von Boulevard of broken dreams! Aber nur in der Version, sehr mutig, und sehr eigenständig. Green Day werden grün vor Neid, wetten? Auch hier ist eine Co-Lab angegeben (Righteous Vendetta)
Beim 6. Song, „Devil’s Target“, taucht wieder die bereits gewohnte Struktur auf: Die Strophe beginnt extrem hart, Screaming, sehr hart, und ein Chorus, der so melodisch versöhnt, dass man dahinschmelzen möchte. Auch hier höre ich wieder Harmonien heraus, die an Alice in Chains erinnern, und ja, es ist großartig! Ich kann nur fast nicht glauben, dass aus so einem zarten Sänger solche Töne heraus kommen, allerdings existiert ja auch Dani Filth….. und yessss, ein Breakdown, der hält, was er verspricht, mit Bridge zum letzten Chorus, dass man einfach nur die Augen schließen sollte, bei diesem Song, and enjoyyyyy! Well done!!!!
Beim 7. Song hab ich dann meine schon gerichtete Gitarre wieder weg gelegt, denn 2 Shadows sind auf die gleiche Idee gekommen und haben ihr „Scratching at the surface“ gleich mal selbst als Akustik-Version eingespielt. So manche Akustik-Ballade hat was Kitschiges an sich, aber nicht diese, die ist einfach zum Genießen. Und man kann bereits traurig sein, denn das ist der letzte Track und dann ist Schluss mit diesem großartigen Debut-Album, das so Appetit macht auf mehr, auf sehr viel mehr, und es ist den Jungs zu wünschen, dass sie eine eigene Band dauerhaft um sich scharen können, damit sie eines Tages mal mit denen auf der Bühne stehen, mit denen sie sich mit diesen paar Tracks schon messen können, und wir reden hier von den ganz Großen, von Motionless in White, Blackveil Brides, Ice Nine Kills und wie sie alle heißen, aber einen ganz großen Bonus haben sie jetzt schon in unseren Herzen: Sie sind ultrasympathisch und drehen hoffentlich noch ganz viele Videos zu ihrem Sujet „Goths in ungothly places!“
((Mika Raven)
Anspieltipps: UNBEDINGT Screamworks, dann alles andere. Ist alles gut, das gibt es so selten!
VÖ: 22.4.2022
(ja, schon länger her, aber die Ungothly Places-Videos kursieren noch nicht so lange, und durch die wurde man ja erst aufmerksam auf 2 Shadows, insofern finde ich es okay, das Review noch hinterherzuschieben!)
Label: Rock Shop Records
Empfehlung: Schaut euch die Videos von 2 Shadows auf Instagram an: 2shadowsofficial