Ulrike Schweikert, Die Charité – Aufbruch und Entscheidung (Band 2)

Veröffentlicht am von

Berlin im Jahr 1903: Als eine der ersten Ärztinnen kommt die junge Rahel Hirsch an der Charité an. Doch alleine unter den überwiegend skeptischen männlichen Doktoren hat sie keinen leichten Stand. Das von Gleichberechtigung noch lange nicht die Rede sein kann, das verspürt auch die Arbeiterin Barbara, die für sich und ihre Familie das tägliche Brot hart in der Wäscherei der Charité erkämpft. Trotz der Standesunterschiede freunden sich die beiden Frauen an und trotzen gemeinsam den Unbillen der Zeit, bis der erste Weltkrieg ausbricht und beider Leben für immer verändern wird.

Mein Leseeindruck:
Der zweite Band der Charité-Serie kommt mit komplett neuen Charakteren daher, wer hätte das gedacht! Wobei hier ja chronologisch und auf Tatsachen beruhend die geschichtliche Entwicklung des ältesten Krankenhauses von Berlin (aber auch der Welt drumherum) erzählt wird und es sich daher auch anbietet, neue Frauenfiguren in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen. Wie schon beim ersten Band bin ich von Anfang an hin und weg von der Erzählung, Autorin Ulrike Schweikert weiß den interessierten Leser erneut schnell in den Band zu ziehen. Diese Mischung aus Roman und Geschichtsbuch ist einfach nur gelungen. Dieses Mal habe ich das Gefühl, dass neben medizinischen Fakten auch die gesellschaftliche und politische Entwicklung ganz bewusst vermehrt in den Fokus gerückt wird. Nun ist die Zeitperiode vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1938 natürlich auch eine Zeit der großen Umbrüche und leider auch der Auftakt zu einer der beschämendsten Phasen in der deutschen Geschichte (die sich in dieser Form niemals wiederholen darf: Keinen Zentimeter nach rechts!), was viel erzählerischen Stoff hergibt. Die deutsche Ärztin Rahel Hirsch war jüdischer Abstammung und hatte somit, wie der Roman schon recht früh schildert, nicht nur mit ihrem Frau-Sein gegen viele Fronten zu kämpfen. Ebenfalls interessant, wenn auch aus einem komplett anderen Metier, ist die in Nebenhandlungen im Buch auftauchende dänische Schauspielerin und großer Stummfilm-Star Asta Nielsen und die erste deutsche Pilotin Melli Beese, deren Ehe mit dem Franzosen Charles Boutard im ersten Weltkrieg ihre Karriere und, wenn man ehrlich ist, auch ihr Leben zerstörte. Es emmpfiehlt sich, diese Damen einmal zu googeln, die Lebensgeschichten der Frauen sind es wirklich wert.

Großartiger spannender Lebensstoff für Leser/innen, die neben guter Unterhaltung auch interessante geschichtliche Einblicke lieben.
(SiN)

Rowohlt Taschenbuch
broschiert, 544 Seiten
ISBN: 978-3-499-27453-4
VÖ: 17. September 2019
Verlags-Homepage: http://www.rowohlt.de

Kategorie: Bücher
Kommentare sind deaktiviert