Eines gleich vorweg: Wer jetzt auf diesen Live-Bericht gestoßen ist und einen der in letzter Zeit üblichen Verrisse erwartet, kann gleich wieder wegklicken. Das ist auch keine klassische Konzert-Review. Als großer Fan von The Sisters Of Mercy, respektive Sänger Andrew Eldritch, möchte ich nämlich gerne ein wenig weiter ausholen. Und auch mein Unbehagen über diese permanente Social Media Häme nicht nur (!) zu den Sisters zum Ausdruck bringen. Aber keine Sorge, ein paar Rückblicke auf das äußerst vergnügliche Konzert und die tolle Vorband gibt es natürlich auch zu lesen ;).
Ich bin Sisters Of Mercy Fan seit 1990. Mit dieser Band und ihrem Song „More“, das wird Herr Eldritch jetzt vielleicht nicht gerne hören, begann mein Einstieg in die Gothic-Szene. Der ich bis heute von ganzem Herzen verbunden bin. Genau wie natürlich auch den Sisters, denen ich für den Anstoß damals von ganzem schwarzen Herzen danke ;).
Ich habe die Band über die Jahre hauptsächlich live auf Festivals gesehen. An ein Einzel-Konzert in London kann ich mich noch gut erinnern, ich war zu dem Zeitpunkt dort auf einem Kurztrip und entschloss mich spontan für den Besuch. Megastimmung dort im Club, es war ein tolles Event. Natürlich erinnere ich mich auch sehr gut an ein Open Air in Rendsburg, dass ich damals noch mit Tape-TV im Rücken besuchte. Dort traf ich backstage auf Herrn Eldritch, konnte kurz mit ihm sprechen. Auf meine englische Ansprache hin sagte er zu mir: „Du kannst ruhig Deutsch sprechen!“.
Ich wollte ihn für ein Interview gewinnen. Leider konnte ich ihm nicht direkt eine Tape-TV Ausgabe in die Hand drücken, hatte diese dann später am Tourbus abgegeben. Ob Andrew es je gesehen hat? Wenn, war es ihm vermutlich zu Gothic ;).
In den letzten Jahren klappte es selten, die Sisters Of Mercy auf einer Veranstaltung live zu erleben, oft überschnitten sich da Termine mit meinen eigenen Veranstaltungen. Doch immer wieder las ich von schlechten Konzerten, dass die Bühnenshow miserabel wäre oder Andrew Eldritch nicht gut bei Stimme. Vielleicht hätte ich mir früher schon mal wieder einen Auftritt gegeben, aber so etwas ist dann ja auch nicht so ermutigend.
Nachdem ich Ende letzten Jahres las, dass Andrew Eldritch ein Konzert abbrechen, einen Teil der Tour-Termine absagen musste, ging ja mal wieder eine Welle der Empörung und der Hasstiraden durch die sozialen Medien. Komisch, MEINE erste Reaktion war Besorgnis, das klang nach einer schweren Erkrankung. Kein Künstler bricht einfach mal so Konzerte ab bzw. lässt Tourtermine ausfallen. Da hängen eine Menge Leute dran, die bezahlt werden müssen, Einnahmen verlieren (ja, liebe Musikfreunde, Künstler, Techniker, Merchandiser müssen tatsächlich auch Geld verdienen).
Ich beschloss, mir für den Ersatztermin in Köln am Sonntag, 21.01.2024 zwei Tickets zu kaufen und fuhr mit einer Freundin hin.
Kurzer Spoiler: Der Abend war wunderbar, auch wenn ich das Gefühl habe, dass die Shows in zum Beispiel den Niederlanden noch besser waren, auch weil dort das Publikum so richtig gut mitging.
Die Stimme von Andrew Eldritch hat sich vielleicht verändert, aber vor allem bei den vielen „neuen“ (unveröffentlichten) Songs gab es immer wieder besondere Momente. Ich bekam alle großen Hits, die ich natürlich Wort für Wort mitsingen konnte, auch mein für mich so wichtiges „More“ ;).
Aber auch viele der unveröffentlichten Nummern („Eyes of Caligula“, „On The Beach“), die ich überwiegend noch nicht kannte. Mich aber schwer begeisterten, da sehr durchdacht, sehr ausgefeilt. Absolut hin und weg bin ich ja von „Here“, dass sich seit dem Konzert als Ohrwurm in meinem Kopf eingenistet hat. Eine Art neues „More“ für mich, glaube ich :D.
Sucht mal nach diesem und weiteren Songs/den letzten Konzerten auf „Youtube“, hört mal rein!
Auf der Bühne wurde an diesem Abend einiges geboten. Auf die Vorband The Virginmarys hatte ich mich schon gefreut, da ich vorab schon viel Gutes (mehr als über die Sisters, haha) gelesen hatte. Was das Duo (!), Sänger und Gitarrist Ally Dickaty und Trommler Danny Dolan, uns da aber auch an treibender Power servierten, Gothic-Punk-Rockabilly, war wirklich vom Feinsten und wurde auch gut abgefeiert.
Hut ab auch vor der Leistung des Drummers!
The Sisters Of Mercy betraten dann schön pünktlich 21 Uhr die Bühne. Auch hier war ich neugierig, da neben dem charismatischen Ben Christo (seit 2006 in der Band, eigene Band: Diamond Black) recht kurzfristig Kai von der japanischen Metalband Esprit D’Air als neuer zweiter Gitarrist dazugestoßen war.
Eingerahmt von diesen beiden Musikern hätte ich mir das Konzert nicht besser vorstellen können.
So ein Ben beherrscht natürlich nicht nur seine Gitarre, sondern auch die klassischen Rockstar-Allüren. Er sang in Köln bei vielen Sisters-Songs die Backing-Vocals (was manchmal Andrew auch zugute kam), stellte sich immer wieder fesch für das Publikum in Foto-Pose.
Kai, so mein Eindruck bei Recherchen im WWW, gewann von Konzert zu Konzert an Selbstbewusstsein auf der Bühne dazu. In Köln präsentierte er sich als exzellenten Gitarristen mit tollen Soli (zum Beispiel bei „Here“), der auch bei den Backing Vocals immer wieder mit dabei war.
Andrew Eldritch hatte eine gewisse Choreographie für die Auftritte festgelegt, wer wann zu welcher Seite wechselt, wer wann ein Solo hat (welche er uns im Publikum auch deutlich anzeigte), wer mit wem zusammen spielt oder singt. Einmal klappte das glaube ich mit Kai noch nicht ganz so gut, da gab es eine kleine Handbewegung als Hinweis von Andrew ;).
Soviel übrigens dazu, dass Herr Eldritch nicht weiß, was er da auf der Bühne tut..
Egal, Kai ist eine unglaubliche Bühnenbereicherung, wirkte erst fast ein wenig schüchtern, war aber dann auch hocherfreut ob der guten Resonanz des Publikums und lachte immer wieder herzlich in die Menge. Bei einem Folgekonzert in den Niederlanden tanzte der optisch schillernde Musiker übrigens zu dem wunderbaren „Lucretia, My Reflection“ sogar wie ein Derwisch über die Bühne, einfach genial, es wirkt auch alles so ehrlich!
Übrigens, ich fand für ein Sisters-Konzert war da gar nicht mal sooo viel Nebel auf der Bühne ;). Ich konnte Andrew Eldritch immer sehr gut sehen, vor allem auch, wenn er seinen Kopf in einen Strahler hielt und versuchte, das Sisters-Logo nachzustellen ;). Ein paar deutsche Worte richtete er auch ab und an an uns, ich habe da sogar auch mal ein leichtes Lächeln gesehen!
Nur sein „Bis demnächst“ am Ende nach einem für meinen Geschmack viel zu kurzen Zugabenblock (insgesamt war das Konzert 90 min. lang) hätte er gerne noch auf viel, viel später verschieben können..
Mein Fazit nach dieser Show: Mit Ben und Kai hat sich Andrew zwei tolle Gitarristen an die Seite gestellt, die dem düsteren Sisters-Sound eine wirklich erfrischende Note geben. Beide Musiker sind übrigens aktuell mit ihren eigenen Bands Diamond Black und Esprit D´Air gemeinsam auf Europa-Tour, die Deutschland-Konzerte sind bereits ausverkauft.
Hat Eldritch hier vielleicht sogar ganz absichtlich drei junge Bands (die großartige Support-Band The Virginmarys hätte ich sonst ja auch nicht kennengelernt) ein wenig Anschub für ihren Bekanntheitsgrad gegeben? Wäre das nicht sympathisch?
Ich fand dieses Konzert mega, kam da gut gelaunt und erholt vom Alltag raus und werde gerne bald wieder zu einem Sisters-Gig gehen! Da steckte auch eine Menge Humor auf der Bühne mit drin, das hat mich gut abgeholt!
An die ewig Meckernden da draußen, wenn Ihr, wie ihr ja immer schreibt, wisst, dass diese Konzerte sooo schlecht sind, warum geht ihr denn da immer wieder hin? Macht uns Fans unsere Momente mit dieser Band nicht madig, bleibt doch einfach Zuhause! Selbst wenn ein Ton mal nicht perfekt (oder anders als früher) klingen sollte, wir verbinden viele tiefe Erinnerungen mit The Sisters Of Mercy und freuen uns einfach nur, bei einem Konzert mit einem gesunden und gut gelaunten Andrew Eldritch auf der Bühne in Erinnerungen schwelgen zu können. First and last and always!
Übrigens: Nach wie vor würde ich sehr gerne ein Interview mit Andrew Eldritch führen (also, wenn Du das hier liest, bitte melde Dich bei mir ;))!
(SiN)
Hier ein paar „Schnappschüsse“ von der Veranstaltung: